Prof. Dr. Bernd Overwien, Seniorprofessor an der Humboldt Universität Berlin und Mitglied des Forums PolBNT, bereichert den 2. Fachaustausch des Forums mit einer Keynote zum Thema „Politische Bildung und BNE- (historisch) Beziehung der Querschnittsaufgaben“. Er wirft dabei einen kurzen Blick auf die Geschichte der Nachhaltigen Entwicklung, thematisiert die Konzepte Umweltbildung, Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Prof. Dr. Bernd Overwien erläutert die Grundsätze des Beutelsbacher Konsens und ordnet seine Impulse abschließend anhand aktueller empirischer Befunde in den Rahmen der politischen Bildung für nachhaltige Entwicklung und Demokratiebildung ein.
Aktuelles
Bericht zum Zweiten Fachaustausch des Forum PolBNT
Berlin, 22.-23. Februar 2024
Das zweite Treffen des Forums „PolBNT“ fand vom 22. bis 23. Februar in Berlin zum Thema „Politische Bildung durch und für nachhaltige Entwicklung – zwischen Normativität, Kritik und Pädagogisierung der Krise“ statt.
Zusätzlich zu den bestehenden Forumsmitgliedern waren auch externe Expert*innen aus verschiedenen Feldern eingeladen. Prof. Dr. Bernd Overwien der Humboldt-Universität Berlin, Nilda Inkermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel und Teil des ILA Kollektivs und mit einem Forschungsinteresse im Bereich der kritisch-emanzipatorischen Bildung in Bezug auf BNE und globales Lernen, Dr. Johanna Weselek mit dem Schwerpunkt kritischer Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie Dr. Luisa Girnus mit dem Fokus auf Politische Bildung und Lernen im sozialwissenschaftlichen Kontext bereicherten mit verschiedenen Impulsen den Fachaustausch.
Nach einem kurzen Austausch und einer gemeinsamen Reflexion des letzten Treffens führte Bernd Overwien mit dem ersten Impuls „Politische Bildung und BNE- (historisch) Beziehung der Querschnittsaufgaben“ in das Thema ein.Anschließend an diese Einführung wurden die Ursprünge der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ sowie „Politischer Bildung“ diskutiert. Die Forumsmitglieder verdeutlichten die Verbindung von BNE und Politischer Bildung und hielten fest, dass interdisziplinäre Perspektiven, welche früher geringe Relevanz hatten, heute wichtiger denn je seien und beide Konzepte als Querschnittsdisziplinen zusammengedacht werden müssen.
Weiterhin stand die Frage im Raum, welche möglichen Hindernisse BNE als übergreifende Disziplin über Globalem Lernen, Umweltbildung, Antirassismusbildung usw. mit sich bringe. Inwiefern tragen unscharfe Grenzen als fehlende Abgrenzung dieser Disziplinen dazu bei, dass BNE als idealisierte und damit möglicherweise auch instrumentalisierte Funktion vermeintlicher Lösung gegenwärtiger Krisenverhältnisse in der Bildungsarbeit erscheint? Die Teilnehmenden des Fachforums tauschten sich über die Individualisierungsfalle von BNE aus und die allgemein hohen Ansprüche an das verändernde Handeln von Individuen, die besonders im Schulkontext häufig thematisiert werden. Im Schulkontext fehlen dabei vor allem (Frei-)Räume für kritische Selbstreflexion. Dabei wurde sowohl der „Beutelsbacher Konsens“als auch die „Frankfurter Erklärung für eine kritisch-emanzipatorische politische Bildung“ als grundlegende Prinzipien und Standards der Politischen Bildung diskutiert. Ein besonderer Fokus der Diskussion lag auf dem Kontroversitätsgebot des „Beutelsbacher Konsens“ und dessen Umsetzung. Die Forumsteilnehmenden tauschten sich über die häufig bestehende Angst von Lehrkräften vor dem vermeintlichen Neutralitätsgebot aus und inwieweit diesem begegnet werden kann. Dabei wurde darauf verwiesen, dass Demokratie politische Bildung benötige und diese nie neutral sein könne. Es wurden Fragen nach dem Maße der Kontroversität bestimmter Perspektiven thematisiert und inwieweit Kriterien für Kontroversität und ihre Komplexität notwendig seien. Des Weiteren wurde der Unterschied zwischen Kontroversität und tatsächlich kritischem Handeln herausgearbeitet und festgehalten, dass eine Hierarchisierung von Themen nicht bedeutet, dass Perspektiven ausgespart werden sollten.
Das erste Diskussionspanel mit Hanna Butterer, Nilda Inkermann und Prof. Dr. Mandy Singer-Brodowski beschäftigte sich mit bildungstheoretischen Zugängen und Prinzipien. Inwieweit können Perspektiven der Politischen Bildung dazu beitragen, Macht und Herrschaft sowie Widersprüche innerhalb der BNE mit dem normativen Ziel der Nachhaltigkeit zu thematisieren, besonders im Hinblick auf bestehende Widersprüche und einer etablierten Nicht-Nachhaltigkeit? Bildung kann in diesem Bereich nicht als universale Lösung betrachtet werden, sondern muss in ihrer Verstrickung in hegemoniale und imperiale Strukturen betrachtet werden, in denen sie Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten auf nationaler und globaler Ebene reproduziert.
Welchen infrastrukturellen Einschränkungen begegnet Bildung und inwieweit kann Bildung in diesem Kontext selbst als infrastruktureller Einflussfaktor als Funktion in Gesellschaft wahrgenommen werden? Diese und weitere Fragen wurden diskutiert. Die Teilnehmenden sprachen darüber hinaus über die Gefahren des adultistischen Bildungsansatzes und damit verbundenen Frustrationserfahrungen von Lernenden. Eine Möglichkeit stelle das projektorientierte Lernen dar, bei dem Lehrkräfte vor allem eine begleitende Funktion übernehmen. Doch auch in diesem Bereich unterliegen Lehrkräfte externen Zwängen und den Herausforderungen aufgrund bislang fehlender weitreichender Fortbildungsangebote.
Das zweite Diskussionspanel des Forums PolBNT wurde geprägt durch Impulse von Prof. Dr. Claudia Bergmüller-Hauptmann, Dr. Luisa Girnus, Michael Nagel und Dr. Johanna Weselek unter Berücksichtigung empirischer Befunde und Beobachtungen. Es wurden drei Ebenen der Wirkungsforschung diskutiert und die erschwerte Evaluation der Bildungsqualität erörtert, wobei bei Lernenden eine große Spannbreite von Verhaltensweisen und möglichen Veränderungen auftritt. Weiterhin tauschten sich die Forumsteilnehmenden über die Bildungsarbeit von NGO’s an Schulen aus, welche ebenso von dem Mythos Neutralitätsgebot betroffen sind. Lehrkräfte seien hinsichtlich der Vermittlung von BNE-Maßnahmen oder Nachhaltigkeitsthemen häufig überfordert, weswegen sie sich nur selten positionieren und die politische Dimension von Nachhaltigkeitsfragen eher aussparen. In vielen Fällen werden BNE-Maßnahmen außerhalb vom Unterricht in AGs durchgeführt, die von einzelnen motivierten Lehrkräften verantwortet werden. Im Hinblick darauf, dass bezüglich dieses Themas Politische Bildung und BNE immer häufiger als Querschnittsdisziplinen wahrgenommen werden, muss auch für Lehrkräfte und weitere Bildner*innen ein Raum für Austausch und Reflexion geschaffen werden. BNE steht dabei auch weiterhin als Bildungskonzept im Kontext einer multiplen Krise und kann deswegen eher als Gestaltungsprozess wahrgenommen werden.
Am zweiten Tag des Fachaustauschs hat sich das Fachforum PolBNT mit praktischen Zugängen und den Chancen kooperativer politischer Bildung auseinandergesetzt. Dazu moderierte Prof. Dr. Sabine Achour einen Rückbezug zur Praxis aus den theoretischen Beiträgen vom Vortrag mit neuen Impulsen von Dirk Posenau und Natali Rezwanian-Amiri. Auch hier einigten sich die Forumsteilnehmenden auf den höheren Bedarf an Wirkungsforschung und Evaluation hinsichtlich der BNE-Maßnahmen. Dadurch können klarere Erwartungen an Bildungskonzepte formuliert werden. Die Teilnehmenden diskutierten weitergehend die Chancen und Herausforderungen partizipativen Lernens und die Auswirkungen von Kurz- und Langzeitformaten im Bereich der politischen Bildung für nachhaltige Entwicklung. Aktuell sei der Fokus auf das Individuum noch sehr groß, da im Hinblick auf persönliche Handlungsentscheidungen auch leicht messbare Fortschritte in kürzester Zeit erreicht werden können. Außerdem begünstigen gegebene Projektförderstrukturen, externe Begrenzungen in Bezug auf Zeit und Themen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und der Fachkräftemangel den Schwerpunkt auf individuelle Maßnahmen, die als kurzzeitpädagogische Maßnahmen umgesetzt werden. Der hohe administrative Aufwand aufgrund standardisierter Vorher-Nachher-Befragungen und Sachberichten fördert individuelle Perspektiven hinsichtlich BNE. Politische Bildung für nachhaltige Entwicklung bewegt sich hier in einem Spannungsfeld zwischen dem Selbstanspruch von Bildner*innen, äußeren Zwängen und externen Förderlogiken, als Teil institutionalisierter und hegemonialer Strukturen. Die Forumsmitglieder diskutieren darüber, wie außerschulische Lernorte stärker im schulischen Lernen verankert, und wie Freiräume für außerschulische Bildungsarbeit und Utopiedenken eröffnet werden können.
Das Forum endet mit gemeinsamen Gedanken über die Rolle von Emotionen in der Politischen Bildung und der Entwicklung offener und von Diversität geprägten Bildungsgelegenheiten.
Empfehlungen für vertiefende Literatur
Abs, Hermann Josef; Hahn-Laudenberg, Katrin (Hrsg.): Das politische Mindset von 14‐Jährigen. Ergebnisse der International Civic and Citizenship Education Study 2016. Waxmann. Münster.
Abs, Hermann Josef; Hahn-Laudenberg, Katrin; Deimel, Daniel; Ziemes, Johanna F. (Hrsg.) (2024): ICCS 2022. Schulische Sozialisation und Politische Bildung von 14-Jährigen im internationalen Vergleich. Waxmann. DOI:10.31244/9783830998228
Adloff, Frank, Necker, Sighard (Hrsg.) (2020): Gesellschaftstheorie im Anthropozän. Campus. Frankfurt am Main.
Asbrand, Julia; Peter, Felix; Calvano, Claudia; Dohm, Lea (2024): Umgang mit gesellschaftlichen Krisen im Schulalltag. Hogrefe. Göttingen.
Bergmüller, Claudia (2019): Transformative Bildung im Kontext Schule. In: Lang-Wojtasik, Gregor (Hrsg.): Bildung für eine Welt in Transformation. Global Citizenship Education als Chance für die Weltgesellschaft. Barbara Budrich. Leverkusen.
Blühdorn, Ingolfur (2020): Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit. Warum die sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft nicht stattfindet. Transcript Verlag. Bielefeld.
Brand, Ulrich; Wissen, Markus (2017): Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. Oekom. München.
Brand, Ulrich; Alberto, Acosta (2018): Radikale Alternativen. Warum man den Kapitalismus nur mit vereinten Kräften überwinden kann. Oekom. München.
Brand, Ulrich; Wissen, Markus (2024): Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven. Oekom. München.
Butterer, Hanna (2024): Vom nachhaltigen Konsum zum politischen Konflikt: Skizzierung einer konfliktorientierten Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: GLOBALES LERNEN FÜR RADIKALEN WANDEL: Bildung und die große sozial-ökologische und ökonomische Transformation. S. 39-43
Butterer, Hanna; Sämann, Jana, Wohnig, Alexander (2023): Lernorte außerschulischer politischer Bildung. Innovationsräume und Tendenzen ihrer Funktionalisierung. In: In: heiEDUCATION Journal 11 | 2023, S. 23–42
Christ, Michaela; Sommer, Bernd (2023): Weltrettungskompetenz? Überlegungen zu BNE aus der Perspektive der sozial-ökologischen Transformationsforschung ZEP: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik 46 2, S. 25-30
Drerup/Zulaica y Mugica/Yacek (Hrsg.) (2021): Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen? Demokratische Bildung und die Kontroverse über Kontroversitätsgebote. Kohlhammer. Stuttgart.
Hamborg, Steffen (2020): Bildung in der Krise. Eine Kritik krisendiagnostischer Bildungsentwürfe am Beispiel der Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Kminek, Helge; Bank, Franziska; Fuchs, Leon (Hrsg.): Kontroverses Miteinander. Interdisziplinäre und kontroverse Positionen zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Verlag Goethe-Universität. Frankfurt am Main. S. 169-184
Inkermann, Nilda; Eicker, Jannis (2021): Die Hegemonie der imperialen Lebensweise als Herausforderung für die politische Bildung, in: Journal für politische Bildung 4/2021, 32-37, DOI https://doi.org/10.46499/1798.2171.
Hirsch, Anja (2019): Gemeinwohlorientiert und innovativ? Die Förderung politischer Jugendbildung durch unternehmensnahe Stiftungen. Transcript Verlag. Bielefeld.
Kater-Wettstädt, Lydia (2015): Unterricht im Lernbereich Globale Entwicklung. Der Kompetenzerwerb und seine Bedingungen. Waxmann. Münster.
Kenner, Steve; Nagel, Michael (2022): Große Transformation mit jungen Change Agents? Partizipative politische Bildung für nachhaltige Entwicklung als Antwort auf multiple Krisen der Gegenwart. In: Zeitschrift für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften zdg, 2/2022, S. 99-116. https://doi.org/10.46499/2079.2529
Kenner, Steve; Singer-Brodowski, Mandy (2024): Politische Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung – eine Annäherung in Spannungsfeldern. In: Wochenschau Politik und Wirtschaft unterrichten. Sonderausgabe „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2024, Wochenschau Verlag. Frankfurt am Main. S. 8-12
Kenner, Steve (2024): Klimawandel und Klimapolitik – ein Generationenkonflikt? Implikationen für eine transformative und adultismuskritische Bildung. In: Beutel, W. / Gloe, M. (Hrsg.): Konflikte. 2. Jahrbuch Demokratiepädagogik & Demokratiebildung. Wochenschau Verlag. Frankfurt am Main. S. 69-80
Kehren, Yvonne (2017): Bildung und Nachhaltigkeit. Zur Aktualität des Widerspruchs von Bildung und Herrschaft am Beispiel der Forderung der Vereinten Nationen nach einer ’nachhaltigen Entwicklung‘. In: Pädagogische Korrespondenz (2017) 55, S. 59-71
Kehren, Yvonne; Winkler, Christine (2019): Nachhaltigkeit als Bildungsprozess und Bildungsauftrag. In: Leal Filho, W. (Hg.): Aktuelle Ansätze zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele. Wiesbaden, S. 373–391
Lepenies, Philipp (2022): Verbot und Verzicht. Politik aus dem Geiste des Unterlassens. Suhrkamp. Berlin.
Riess, Werner (2013): Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Förderung systemischen Denkens. – ANLiegen Natur 35: 55–64, Laufen.
Weselek, Johanna; Wohnig, Alexander (2020): Praxisvorstellungen und -erfahrungen von Studierenden und Referendar/-innen zur Umsetzung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schule und Unterricht. Zeitschrift für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften. 11. 72-90. 10.46499/1774.1728.
Bericht zum Fachaustausch „Recht & Gerechtigkeit, Macht- & Naturverhältnisse, soziale Mobilisierung & Protest – Bildung im Kontext gesellschaftlicher Transformation“
Der erste Fachaustausch des Forums PolBNT fand vom 18. bis zum 19. September 2023 im Werkhof in Hannover statt. Ziel des ersten Treffens war es, zentrale sozialwissenschaftliche Themenfelder zu eruieren, deren Perspektiven im Kontext der politischen Bildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung bislang unzureichend berücksichtigt werden. Die Gründungsmitglieder des Forums setzten sich mit den Themen imperiale Lebensweise, gesellschaftliche Naturverhältnisse, soziale Bewegungen, Klimazukünfte sowie mit Erkenntnissen der Einstellungsforschung auseinander.
Als externe Expert*innen haben wir Prof. Dr. Daniela Gottschlich von der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung mit einem Impuls zu „Gesellschaftliche Naturverhältnisse und das Verhältnis von Recht und ökologischer Gerechtigkeit“ sowie Dr. Jan Wilkens von der Universität Hamburg mit einem Impuls zu „Soziale Mobilisierung und die Plausibilität von Klimazukünften” gewinnen können. Darüber hinaus hat Prof. Dr. Lena Partzsch (FU Berlin; Forumsmitglied) einen Impuls zu „Macht(verhältnisse) im Kontext der Klimapolitik“ und Prof. Dr. Sabine Achour (FU Berlin; Forumsmitglied) einen Beitrag zur Mitte-Studie „Klima(schutz) als Kampffeld“ vorgestellt.
Am ersten Forumstag orientierte sich die Diskussion der Teilnehmenden an der Bedeutung von Naturrechten und der damit einhergehenden Gefahr einer Polarisierung, die mit einer Einbringung ökologischer Rechte verbunden sein könne. Während einerseits eine Regulierung von Menschen- und Naturrechten gefordert wurde, sprachen sich Teilnehmende auch für gesamtgesellschaftliche Veränderungen aus, welche die Einführung von Naturrechten mit sich bringen. Es bestehe zwar die Gefahr einer Überforderung, jedoch ermögliche diese Überlegung auch die Realisierbarkeit eines guten Lebens für alle, sowohl individuell als auch kollektiv. Selbst wenn kein allgemeingültiger Wunsch nach einer sozialökologischen Transformation vorherrscht, dürfe der Anspruch darauf nicht aufgegeben werden, da sonst die Gefahr einer Zunahme autoritärer Stimmen begünstigt werde.
Anschließend daran wurde die Frage nach den bildungspraktischen Konsequenzen aufgeworfen und damit die Perspektive für eine Sensibilisierung und Bewusstseinswerdung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) eröffnet, bei der Widersprüche zu thematisieren seien. Das Aufzeigen von Kontrasten stellt eine wichtige bildungspraktische Herausforderung dar, da sowohl die Thematisierung von Widersprüchen als auch der Raum für utopische Gedanken in der BNE bisher zu kurz kamen. Eine konkrete Anforderung liegt daher in der Selbstwirksamkeitserfahrung junger Menschen und dem Raum für Zukunftsgedanken und einer kritischen Reflexion, wodurch ein Perspektivwechsel initiiert werden kann.
Schlussendlich wurde die Frage danach aufgeworfen, ob individuelle Handlungen zu kollektiver Entwicklung führen und wie beispielsweise postkoloniale Perspektiven in den Eigenrechten der Natur mitgedacht werden können. Mit der Feststellung, dass die bestehenden Machtverhältnisse die Möglichkeit der Umsetzung von Naturrechten verhindern, fand sich eine Überleitung zur Diskussion über Macht(verhältnisse) im Kontext der Klimapolitik. Hierbei wurde u.a. diskutiert, dass besonders apokalyptische Narrative und die Frage nach den Treibern des Wandels stärker hinterfragt werden müssten, um deren Gefahr aufzudecken und Framings vorzubeugen. Hier spiegelt sich die Idee des Forums wider, zuerst sozialwissenschaftliche Perspektiven zu diskutieren und daraufhin eine Verbindung zu bildungskonzeptionellen Prinzipien herzustellen. Was bedeuten diese Katastrophen- und Krisennarrative für die Bildungsarbeit, besonders im Hinblick auf Lernabwehr und Widerstände? Die existenzielle Dimension von multiplen Nachhaltigkeitskrisen können als neuer/anderer Anlass gesehen werden, um den bisherigen Denkrahmen infrage zu stellen, über Utopien hinauszudenken und deren Stellenwert in bildungspraktischen Situationen mitzudenken. Da der Bedarf nach einer positiven Formulierung nicht alle gleichermaßen anspricht, benötigt es einer vernünftigen Einordnung, bei welcher das Positive nicht zwingend als Ergebnis zu verstehen ist.
Am zweiten Tag haben wir uns – ausgehend von einem Impuls von Dr. Jan Wilkens (Universität Hamburg) – mit der Frage von sozialer Mobilisierung und Protest als Treiber von Klimapolitik und Transformation beschäftigt.
Welche Prozesse braucht es, um Politik anzustoßen und an welchen Stellen ist Macht ungleich verteilt? Wie kann man Handlungsmacht Raum geben und wo liegen dabei Grenzen in Bildungsprozessen? In Bildungseinrichtungen benötigt es Mut für utopisches Denken und für eine kontroverse Thematisierung der Nachhaltigkeitsdebatte. Hierbei spielt die Professionalisierung von Lehrkräften eine bedeutende Rolle. BNE ist mit vielen Emotionen behaftet: Der Umgang mit Fragen, auf die es vermeintlich keine Antworten gibt, zeigt die existenzielle Dimension von Nachhaltigkeitskrisen und die Notwendigkeit einer Sensibilität im Diskurs um BNE auf, welcher bisher eher durch pragmatische Perspektiven geprägt ist.
Die Politisierung im Klassenzimmer spiegelt sich auch gesellschaftlich in einem Erstarken der Zivilgesellschaft wider, welches am zweiten Tag im Fokus des Fachaustausches stand. In diesem Zuge erwies es sich als besonders wichtig, politische Perspektiven in die Konzeption von BNE aufzunehmen und die Bildner*innen hierfür zu sensibilisieren, einzubinden und zu empowern. Hierfür stellten sich Persönlichkeitsentwicklungs- und Professionalisierungsprozesse als entscheidend heraus, um das eigene Sicherheitsbedürfnis zu fördern und der Frage nach dem Umgang mit Widersprüchen entgegentreten zu können.
Eine wichtige gemeinsame Frage der beiden Disziplinen stellt sich nach der fehlenden Lösung für die Klimakatastrophe. Weiß die Mehrheit der Menschen tatsächlich zu wenig über den Klimawandel und wieviel „Wissen“ braucht es überhaupt für eine politische Bildung durch und für nachhaltige Entwicklung? Gemeinsam wurde resümiert, dass es eine gewisse Tiefe der politischen Handlungsfähigkeit braucht, um über gesellschaftliche Veränderungsprozesse nachdenken zu können, und dass die politische Dimension von BNE hauptsächlich in der Förderung von kritisch-reflexivem Handeln und Denken liegt, sowie in der Stärkung des Vertrauens in demokratische Strukturen.
Mit einem Impuls zu Politischer Bildung durch und für nachhaltige Entwicklung – vom Subjekt zum System und zurück hat JProf. Dr. Steve Kenner (Pädagogische Hochschule Weingarten) einen Beitrag zum Ausblick auf den zweiten Fachaustausch eröffnet. Hier finden Sie einen E-Lecture dazu, die im Zuge der DBUdigital Onlinesalons aufgezeichnet wurde.
Wenn Sie sich für dieses Thema interessieren und vertiefenden einlesen wollen empfehlen wir Ihnen folgende Literatur:
- Gottschlich, Daniela (2022): Gerechtigkeit. In: Gottschlich, Daniela; Hackfort, Sarah; Schmitt,Tobias; von Winterfeld, Uta (Hrsg.): Handbuch Politische Ökologie. Theorien, Konflikte, Begriffe, Methoden. transcript Verlag. Bielefeld. S. 365- 375.
- Partzsch, Lena (2017): Welche Macht führt zum Wandel? GAIA. 26 (4), S. 317–320.
- Lena Partzsch (2017) ‘Power with’ and ‘power to’ in environmental politics and the transition to sustainability, Environmental Politics, 26:2, 193-211.
- Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.) (2021): Die geforderte Mitte Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2020/21. Verlag J.H.W. Dietz. Bonn. (hier insbesondere die Kapitel „Propagandafeld: Klima“, S. 262 – 281 und „Politische Bildung als Transmitter der Demokratie: Demokratie muss man machen – Neun Appelle zur politischen Bildung“, S. 311- 329)
- Ulrich, Brand / Görg, Christoph (2022): Gesellschaftliche Naturverhältnisse. In: Gottschlich, Daniela / Hackfort, Sarah / Schmitt, Tobias / von Winterfeld, Uta (Hrsg.): Handbuch Politische Ökologie. Theorien, Konflikte, Begriffe, Methoden. transcript Verlag. Bielefeld, S. 37- 50.
- Engels, Anita / Marotzke, Jochem / Gonçalves Gresse, Eduardo / López-Rivera, Andrés / Pagnone, Anna / Wilkens, Jan (eds.) (2023): Hamburg Climate Futures Outlook 2023.The plausibility of a 1.5°C limit to global warming—Social drivers and physical processes. Cluster of Excellence Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS). Hamburg, Germany. – hier insbesondere: S. 97-103.
E-Lecture: Politische Bildung durch und für nachhaltige Entwicklung?! In der Individualisierungsfalle?
Gemeinsam mit der @DeutscheBundesstiftungUmwelt hat unser Projektteam den Onlinesalon „Politische Bildung durch und für nachhaltige Entwicklung“ am 15. November 2023 organisiert und durchgeführt. Die Keynote mit empirischen Erkenntnissen und bildungstheoretischen Überlegungen zur Rolle der politischen Bildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Kontext von Transformation hat Juniorprofessor Dr. Steve Kenner (Pädagogische Hochschule Weingarten), Leiter des Projektes „PolBNT – Politische Bildung, Nachhaltigkeit und Transformation“ gehalten.
Den Vortrag stellen wir euch hier als E-Lecture zur Verfügung. @StKenner schließt an die Arbeit im Forum #PolBNT an, welches der Frage nachgeht, inwiefern im Diskurs über eine Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auch sozialwissenschaftliche Perspektive mitgedacht werden müssen und inwiefern sich die verschiedenen Bildungskonzepte Politische Bildung, BNE, Demokratiebildung usw. gegenseitige befruchten können und Schulen sowie außerschulische Bildungseinrichtungen als politische Sozialisationsorte zu verstehen sind, die selbstbestimmte Bildungsgelegenheiten für eine gesellschaftliche Transformation zu einer nachhaltigen Lebensweise ermöglichen.
Hier ein paar Zeitmarken zur Orientierung:
00:00:00 – Multiple Krise
00:05:20 – Was bedeutet Nachhaltigkeit?
00:08:15 – Kritischer Blick auf 17 SDGs der Vereinten Nationen
00:09:41 – Nicht-Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Naturverhältnisse
00:10:28 – BNE und die Individualisierung der Krise
00:16:00 – Das Politische als Kern transformativer Bildung
00:24:20 – Das Projekt Forum PolBNT
Mehr Informationen zum Onlinesalon findet ihr hier: https://www.dbu.de/termine/dbudigital… und zum Projekt PolBNT hier: https://polbnt.de/ Folgt uns gerne auch auf Instagram: www.instagram.com/polbnt
E-Lecture: Soziale Mobilisierung und Klimazukünfte
Bei dem ersten Fachaustausch des Forums Politische Bildung, Nachhaltigkeit und Transformation (Forum PolBNT) gefördert von der @DeutscheBundesstiftungUmwelt haben wir uns dem Thema „Recht & Gerechtigkeit, Macht- & Naturverhältnisse, soziale Mobilisierung & Protest. Bildung im Kontext gesellschaftlicher Transformation“ gewidmet.
Als Gast haben wir Dr. Jan Wilkens von der Universität Hamburg eingeladen. Er hat Geschichte, Kultur und Sprachen des Nahen und Mittleren Ostens und Politikwissenschaft (BA) an der Universität Hamburg, Arabisch am Higher Language Institute in Damaskus, Syrien und Nahostpolitik (M.Sc.) an der School of Oriental studiert und Afrikastudien (SOAS) in London. An der Universität Hamburg hat er in Internationalen Beziehungen promoviert. Derzeit arbeite er als Senior Researcher im Syntheseteam am Center for Earth System Research and Sustainability (CEN) im Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change and Society“ (CLICCS).
Aus dieser Forschung hat er berichtet und eine Keynote zu „Soziale Mobilisierung und die Plausibilität von Klimazukünften“ gehalten, die wir gemeinsam diskutiert haben. Die Keynote könnt ihr jetzt hier anschauen.
Bezogen hat er sich u.a. auf diese Studie Engels, Anita / Marotzke, Jochem / Gonçalves Gresse, Eduardo / López-Rivera, Andrés / Pagnone, Anna / Wilkens, Jan (eds.) (2023): Hamburg Climate Futures. Outlook 2023.The plausibility of a 1.5°C limit to global warming—Social drivers and physical processes. Cluster of Excellence Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS). Hamburg, Germany. – hier insbesondere: S. 97-103. https://www.cliccs.uni-hamburg.de/de/… (letzter Zugriff: 11.12.2023)
Mehr Informationen zu Dr. Jan Wilkens findet ihr hier: https://jan-wilkens.com/
E-Lecture: Gesellschaftliche Naturverhältnisse
Bei dem ersten Fachaustausch des Forums Politische Bildung, Nachhaltigkeit und Transformation (Forum PolBNT) gefördert von der Deutsche Bundesstiftung Umwelt haben wir uns dem Thema „Recht & Gerechtigkeit, Macht- & Naturverhältnisse, soziale Mobilisierung & Protest. Bildung im Kontext gesellschaftlicher Transformation“ gewidmet.
Als Gästin haben wir u.a. Prof. Dr. Daniela Gottschlich von der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung) eingeladen. Als Politikwissenschaftlerin lehrt und forscht sie an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung zu feministischer politischer Ökologie, neuen Ökonomien, Demokratisierung gesellschaftlichen Naturverhältnissen, Ökologie und Rechtsextremismus. Die Keynote könnt ihr jetzt hier anschauen. Wir empfehlen u.a. das von ihr und weiteren Kolleg*innen herausgegebene Handbuch „Politische Ökologie“
Gottschlich, Daniela (2022): Gerechtigkeit. In: Gottschlich, Daniela; Hackfort, Sarah; Schmitt,Tobias; von Winterfeld, Uta (Hrsg.): Handbuch Politische Ökologie. Theorien, Konflikte, Begriffe, Methoden. transcript Verlag. Bielefeld. S. 365- 375.
Das Buch gibt es als kostenfreien Download über den transcript Verlag hier: https://www.transcript-verlag.de/978-… (letzter Zugriff: 11.12.2023)